Das selbstfahrende Auto – wohin geht die Reise?

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„Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihr Fahrzeug auf Autopilot stellen wie ein Flugzeug und sich dann entspannt zurücklehnen“ – das ist eine Werbeansage eines großen europäischen Autoherstellers, mit der den Kunden der Mund für neue Technologien im Kfz-Bereich wässrig gemacht werden soll. Derzeit überbieten sich die namhaften Automarken gegenseitig mit Ankündigungen, dass sie selbst bei der Entwicklung neuer Technologien führend wären und bei der Einführung des selbstfahrenden Autos in der ersten Reihe stehen würden.

Autonomes Fahren – ein erster Ausblick

Technische Voraussetzungen, die heute noch nicht bestehen, gibt es viele. Autonom fahrende Fahrzeuge müssen standardisiert mit anderen Fahrzeugen vernetzt sein und entsprechend miteinander kommunizieren können. Technische Festlegungen, dass gegenseitige Warnungen vor Hindernissen auf der Fahrbahn, Glatteis oder Aquaplaning via WLAN erfolgen, gibt es bereits. Das Fahrzeug muss aber auch Daten mit der Verkehrsinfrastruktur, Verkehrsleitstellen und z.B. Ampeln austauschen können. Darüber hinaus bedarf es eines viel genaueren elektronischen Straßenkartensystems als es die heutigen Navigationsgeräte verwenden.

Experten rechnen damit, dass es im regulären Betrieb autonom fahrende Fahrzeuge frühestens ab 2030 geben wird, wobei im hochrangigen Straßennetz die technischen Voraussetzungen hinsichtlich der Infrastruktur am frühesten gegeben sein werden. Selbstfahrende Fahrzeuge im städtischen Bereich wird es aufgrund der größeren Komplexität an zu bewältigenden Verkehrssituationen erst später geben. Zu erwarten ist, dass hier öffentliche Busse, die ohne Fahrer ihre vorgegebene Fahrtstrecke absolvieren, den Anfang machen werden.

Offen sind auch noch die rechtlichen Rahmenbedingungen für autonom fahrende Fahrzeuge. Das beginnt mit dem Völkerrecht, wo das Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist, vorschreibt, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der dieses auch beherrschen muss und die volle Verantwortung trägt. 2014 gab es eine Änderung dahingehend, dass Systeme, mit denen ein Pkw autonom fährt, zulässig sein sollen, wenn sie jederzeit vom Fahrer gestoppt werden können. Diese Regelung muss erst in den nationalen Gesetzen umgesetzt werden.

Für serienmäßig hergestellte autonome Fahrzeuge mangelt es derzeit an einer kraftfahrrechtlichen Grundlage. Es bedarf teils weitreichender Änderungen im Führerscheingesetz, im Kraftfahrgesetz und in der Straßenverkehrsordnung, weil in allen diesen Gesetzen davon ausgegangen wird, dass es bei einem Kraftfahrzeug eine natürliche Person als Lenker gibt, den verschiedenste Pflichten treffen bzw. auferlegt werden.

Auch autonom fahrende Fahrzeuge werden Unfälle verursachen, sei es durch Softwarefehler, falsche Informationen durch Kameras, Sensoren oder andere Einrichtungen, mit denen Informationen von außerhalb des Fahrzeugs bezogen werden. Denkbar ist auch schlichtes, aber abruptes Stehen bleiben mitten auf der Autobahn, weil das Fahrzeug aus welchem Grund auch immer defekt ist.

Da es in solchen Fahrzeugen keinen verantwortlichen Lenker mehr gibt, fällt unmittelbares menschliches Verschulden als Anspruchsgrundlage für den Geschädigten weg. Übrig bleiben wird jedenfalls die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Halters nach den Bestimmungen des EKHG, die sich aus der bloßen Gefahr des Betriebs eines Kfz ergibt. Während die Verschuldenshaftung des Lenkers nach oben hin unbegrenzt ist, gibt es im EKHG Höchsthaftungsgrenzen pro verletzter oder getöteter Person und für mehrere Personen insgesamt sowie für Sachschäden. Hier bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier eine Adaptierung (= Erhöhung) der Höchsthaftungssummen vorsehen wird.

Interessant wird auch wie die Versicherer oder auch Gerichte feststellen werden, welches Fahrzeug für die erlittenen Schäden haftet. Heutzutage reichen bei fast allen Verkehrsunfällen die Angaben der beiden Unfalllenker aus, um einen Schadenfall abwickeln zu können. Wenn es nunmehr keinen Lenker gibt, wird man die Blackbox oder ein anderes System, das die Fahrdaten aufgezeichnet hat, „fragen“ müssen, wie sich der Unfall ereignet hat. Das Auswerten von solchen Systemen wird daher zum Alltagsgeschäft von Versicherungssachverständigen gehören.

Neben der Haftung des Fahrzeughalters wird die Haftung des Herstellers für das fehlerhafte Produkt an Bedeutung gewinnen. Eine Verschuldenshaftung des Herstellers bzw. ein ihm zurechenbares Fehlverhalten eines seiner Dienstnehmer wird nur schwer nachzuweisen sein. Möglicherweise kann ein Geschädigter seine Ansprüche auf das Produkthaftungsgesetz stützen, das eine Gefährdungshaftung des Herstellers oder Importeurs für ein fehlerhaftes Produkt vorsieht. Es kann derzeit nicht eingeschätzt werden, welche Rolle solche Ansprüche oder allfällige Regresse des Kfz-Haftpflichtversicherers spielen werden.