Nachhaltige Pensionen: Wird die Finanzindustrie das Klima retten?

224
V.l.n.r. Manfred Bartalszky, Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Bundesministerin Leonore Gewessler, BA, Gen.-Dir. Mag. Andreas Zakostelsky Foto: APA-Fotoservice/Reither

Die Rolle der betrieblichen und privaten Altersvorsorge wird in Österreich immer wichtiger. Neben dem Nutzen für die Lebensqualität im Alter steht mittlerweile auch der beachtliche Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel im Vordergrund. Das war das Ergebnis einer Enquete am 4. Juli 2022, zu der der Fachverband der Pensions- und Vorsorgekassen, der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs VVO und die Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG) als Initiative 2050 geladen hatten. Die Mitglieder dieser Initiative vertreten gemeinsam ein veranlagtes Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro. Als prominente GastsprecherInnen waren Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Staatssekretär Tursky und der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker vor Ort.

Eine aktuelle Inflation von 7,7 Prozent (Stand Mai), enorme Unsicherheiten durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, eine immer älter werdende Gesellschaft und eine Steigerung der Umweltkatastrophen durch den Klimawandel – all das zeigt, moderne Altersvorsorge ist wichtiger denn je. Bei der diesjährigen Enquete der Initiative 2050 „Nachhaltige Pensionen – wird die Finanzindustrie das Klima retten?“ wurde die Bedeutung einer breit angelegten Altersvorsorge und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Klima mit prominenten Speakern thematisiert.

Nachhaltige Zusatzpensionen – ein wichtiger Hebel zur Erreichung der Pariser Klimaziele
„Wir müssen jetzt Rahmenbedingungen schaffen, um unser Klima nachhaltig zu schützen“, sagt Umweltwissenschaftler und Autor Ernst Ulrich von Weizsäcker im Rahmen der Enquete der Initiative 2050. „Wenn wir an den richtigen Schrauben drehen, kann und wird Klimaschutz profitabel sein. Dazu müssen wir das Kapital in die richtigen Bahnen lenken“, so der bekannte Umweltwissenschaftler, der sich bereits seit den 1970er Jahren als Präsident des Club of Rome für einen breiten Klimaschutz einsetzt.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler unterstrich in diesem Zusammenhang die große Rolle der Finanzwirtschaft: „Alle Maßnahmen für mehr Klimaschutz in Österreich, die wir heute und in den kommenden Jahren umsetzen, sind ein wesentlicher Beitrag für eine klimafreundliche Zukunft in unserem Land. Der Finanzsektor ist dabei ein wesentlicher Hebel für mehr Klimaschutz und stärkt eine klimafreundlich ausgerichtete Wirtschaft. Mit der geballten Finanzkraft der Green Finance Alliance haben wir wichtige Verbündete gewonnen – im Kampf gegen die Klimakrise und aus dem Weg raus aus der Abhängigkeit von fossilem Öl und Gas. Sie machen deutlich: Klimaschutz und erfolgreiches Wirtschaften geht Hand in Hand. In der Green Finance Alliance gehen wir gemeinsam, mit gebündelten Kräften und konkreten Zielen für mehr Klimaschutz in Österreich einen für den europäischen und internationalen Finanzbereich beispielhaften Weg“, so Gewessler.

Staatssekretär Florian Tursky wies auf das große Potenzial von nachhaltigen Investitionen gerade in der Altersvorsorge hin. „Die betriebliche und die private Altersvorsorge sind bereits vorbildlich, wenn es um nachhaltige Kriterien geht. Das unterstützt einerseits die Menschen mit einer Ergänzung zur staatlichen Pension und schafft andererseits einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz“.

Konkrete Forderungen zum Ausbau nachhaltiger Zusatzpensionen in Österreich
Bei der Veranstaltung ging es insbesondere auch darum, den politischen Entscheidungsträgern Lösungsvorschläge zum Ausbau der betrieblichen und privaten Altersvorsorge in Österreich zu unterbreiten. So findet sich die Stärkung der privaten Altersvorsorge im aktuellen Regierungsprogramm, um ergänzend zur staatlichen Pensionsvorsorge entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Ziel ist es einerseits, das Pensionssystem als integriertes Drei-Säulen-System für künftige Generationen nachhaltig zu gestalten. Andererseits entsteht dadurch eine enorme Hebelwirkung in Richtung nachhaltiger Veranlagung und Klimaschutz. So wurden von den Veranstaltern klare Forderungen an die Politik übermittelt:

  • Rasche Umsetzung des General-Pensionskassenvertrages:
    Durch die Realisierung des im aktuellen Regierungsprogramm festgelegten General-Pensionskassenvertrages hätten 75 Prozent der unselbstständig Beschäftigten, deren Unternehmen noch keine Vereinbarung mit einer Pensionskasse oder Betrieblichen Kollektivversicherung haben, trotzdem den Zugang zu einer Betriebspension und damit einer lebenslangen Zusatzpension. Zudem sind aktuell die Arbeitnehmerbeiträge im Vergleich zu den Arbeitgeberbeiträgen steuerlich benachteiligt. Eine Angleichung würde den Arbeitnehmern eine überwiegend grüne Veranlagung in einer Pensionskasse oder Betrieblichen Kollektivversicherung ermöglichen. „Würden, mittels des Generalpensionskassen-Vertrages, Millionen Arbeitnehmer auf einen Schlag Zugang zu den nachhaltigen Anlagemöglichkeiten der betrieblichen Pensionskassen oder Betrieblichen Kollektivversicherungen bekommen, kämen wir den Klimazielen schon um einiges näher. Der Hebel der Finanzwirtschaft darf hier auf keinen Fall unterschätzt werden“, analysiert Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensions- und Vorsorgekassen in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Der Vorsitzende der Berufsgruppe der Vorsorgekassen, Andreas Csurda, ergänzt: „Wir brauchen in Österreich eine Modernisierung der Veranlagungsbestimmungen für Vorsorgekassen zur Anpassung an aktuelle Marktgegebenheiten zur nachhaltigen Ausrichtung. Für die Weiterentwicklung der Abfertigung zu einem substantiellen Teil der betrieblichen Altersvorsorge ist eine Ausdehnung der gesetzlichen Mindestliegedauer und eine Steigerung des Ertragspotentials durch Entfall der Bruttokapitalgarantie sinnvoll. Die Digitalisierung der Kontoinformationen würde zu deutlich mehr Klimaschutz beitragen.“
  • Nachhaltige Lebensversicherungen als Forderung für mehr Klimaschutz:
    „Mit steuerlichen Incentives haben wir einen großen Hebel für nachhaltigeres Verhalten in der Hand – so auch bei Lebensversicherungen mit grüner Veranlagung. Diese gehören dringend steuerlich begünstigt“, so Peter Eichler, Vorsitzender der Sektion Lebensversicherung im Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs VVO. Darüber hinaus plädiert er für eine Senkung der Versicherungssteuer in der Lebensversicherung. Diese ist einerseits im aktuellen Kapitalmarktumfeld dringend notwendig, andererseits wäre sie aber auch im Sinne eines Level-Playing-Fields aufgrund von möglichen Steueranreizen auf Wertpapiere im Rahmen des Vorsorgedepots erforderlich. Einen weiteren großen Hebel stellt die Prämienbegünstige Zukunftsvorsorge dar, aktuell das einzige geförderte Produkt der dritten Säule. Um auch in Zukunft den Bedarf nach einem geförderten Vorsorgeprodukt, in Ergänzung zur staatlichen Pension, langfristig und erfolgreich decken zu können, ist eine Reform der Prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge unerlässlich. Der Nachhaltigkeitsgedanke könnte in reformierten Veranlagungsbestimmungen seinen Niederschlag finden. Im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge ist eine Valorisierung der seit 1975 unveränderten Zukunftsversicherung längst überfällig.
  • Vorsorgedepot für mehr Wohlstand in der Pension
    „Mit einem Vorsorgedepot könnten Anleger sich für eine Variante mit verpflichtender Laufzeit entscheiden. Bei Entnahme nach vereinbarter Laufzeit sollen die Investitionen steuerfrei sein“, so Heinz Bednar, Präsident der Vereinigung österreichischer Investmentgesellschaften, VÖIG. Damit greift die Vereinigung einen Vorschlag auf, der in einigen Ländern schon zur Umsetzung gebracht wurde. Außerdem würde die Variante die Märkte stabilisieren und für zusätzliche Anlagemöglichkeiten sorgen.

Über die Initiative 2050
Die „INITIATIVE 2050“ (vormals Arbeitsgemeinschaft Zusatzpensionen) umfasst alle Anbieter der betrieblichen und privaten Pensionsvorsorge in Österreich. Das sind der Fachverband der Pensions- und Vorsorgekassen, der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs VVO und die Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG).

Die Mitglieder der Initiative 2050 vertreten gemeinsam ein veranlagtes Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro. Ziel der Initiative ist es, notwendige Neuerungen und konkrete Optionen aufzuzeigen sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, um das heimische Pensionssystem gesamtheitlich und nachhaltig auf hohem Niveau zu sichern. Im Mittelpunkt steht dabei stets eine substanzielle Ergänzung der staatlichen Pension, keinesfalls aber eine Konkurrenz oder gar ein Ersatz des staatlichen Systems.